Spekulation abwenden - Abwendungsvereinbarungen veröffentlichen

Der Mietenwahnsinn ist in jeder deutschen Stadt zu sehen: In Berlin betreffen steigende Mieten und die Angst vor Verdrängung nahezu alle Mieterinnen. Auch der Mietendeckel schafft nur begrenzt Abhilfe, solange die verfassungsrechtliche Beurteilung dazu noch aussteht. Mit der Einrichtung von sozialen Erhaltungs- und Milieuschutzgebieten sowie dem Vorkaufsrecht gibt es zwar eigentlich Maßnahmen, Mieterinnen vor Verdrängung zu schützen, indem Bezirke bzw. die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften bedrohte Häuser aufkaufen.

Die tatsächliche Ausübung des Vorkaufsrecht ist jedoch laut Senat nicht das „vorrangige Ziel“, sondern stattdessen der Abschluss einer Abwendungsvereinbarung. Eine private Käuferin verpflichtet sich darin zu verschiedenen Maßnahmen, die die soziale Erhaltung des Gebäudes sicherstellen sollen, wie zum Beispiel dem Verzicht auf Umwandlung in Eigentumswohnungen und dem Verzicht auf Modernisierungsbauten, die mit einer Mieterhöhung einhergehen.

Wie gut diese Maßnahmen sind und ob sie überhaupt eingehalten werden, können Mieterinnen allerdings nicht kontrollieren. Denn die Abwendungsvereinbarungen werden von den Bezirken nicht veröffentlicht.

Kampagne: Spekulation abwenden!

Solange die Bezirke nicht selbst aktiv werden, wollen wir mit unserer neuen Kampagne „Spekulation abwenden!“ die über 130 Abwendungsvereinbarungen in Berlin an die Öffentlichkeit bringen – und so den Mietern die Kontrolle über ihre Wohnungen zurückgeben.

Anwohnerinnen können über eine Suchmaske prüfen, ob für ihr Haus eine Abwendungsvereinbarung geschlossen wurde, und diese automatisiert anfragen. Der Prozess und die Antworten der Bezirksämter sind für alle Interessierten öffentlich einsehbar. FragDenStaat unterstützt bei Gebühren und rechtlichen Hürden.

Bezirke sperren sich gegen Veröffentlichung

Im Fall der Paul-Robeson-Str. 17 in Pankow durfte nur eine kleine Gruppe von Vertreterinnen der Mieterinitiative einen einmaligen Blick in die Abwendungsvereinbarung für das Haus werfen – ohne Kopien oder Fotos anfertigen zu dürfen. Erst nach einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz konnten wir im August 2019 die Vereinbarung veröffentlichen. Nun können auch zukünftige Mieterinnen überprüfen, ob die Eigentümerin sich auch in 20 Jahren noch an ihre Verpflichtungen hält.

Bei einer Anfrage zur Kollwitzstr. 2/Saarbrückerstr. 17 reagierte das Bezirksamt Pankow sogar ein ganzes Jahr lang überhaupt nicht. Erst nach unserer Untätigkeitsklage gab der Bezirk die Abwendungsvereinbarung heraus.

Wie sehr die Bezirke sich gegen eine Veröffentlichung sperren, zeigt auch eine Anfrage aus Neukölln. Das Bezirksamt stellte die Abwendungsvereinbarung der Fuldastr. 7 zwar zur Verfügung, nutzt aber den vollen Namen der Antragstellerin als flächendeckendes Wasserzeichen, um diese vor einer Veröffentlichung abzuschrecken. Dieses Vorgehen ist nicht nur datenschutzrechtlich unzulässig, sondern verstößt auch gegen Vorgaben zur Barrierefreiheit.

Auf unsere Nachfragen bestätigten mehrere Bezirke, dass der Wunsch nach einer Veröffentlichung der Abwendungsvereinbarungen „grundsätzlich nachvollziehbar“ sei. Dass sie sich dennoch so schwer damit tun, dies umzusetzen, ruft Zweifel an der Qualität der Vereinbarungen hervor. Mieter:innen müssen über die Inhalte Bescheid wissen, um deren Einhaltung überprüfen zu können.

Für die Mieter sind Abwendungsvereinbarungen ohnehin maximal eine Kompromisslösung, denn spätestens nach Ablauf der Vereinbarung – in der Regel 5-20 Jahre – sind sie wieder der Willkür der Eigentümer ausgesetzt. Es überrascht also nicht, dass Hausgemeinschaften sich gegen den Aufkauf durch große Wohnungskonzerne wie die Deutsche Wohnen wehren. Solange es allerdings keine nachhaltigen Finanzierungsmodelle für die Ausübung des Vorkaufsrecht gibt, sind die Bezirke auf Abwendungsvereinbarungen angewiesen, wie sogar der SPD-Landesvorstand beklagt.